Die Zelle ist heilsames Schweigen
April 2022
Die Zelle ist heiliger Ort Gott sagt : ICH BIN DA
Die Zelle ist ein Weg zu Gott zu dir selber zu den Menschen
Die Zelle ist ein Tabernakel
Die Zelle lässt dich deine Wurzeln spüren
Die Zelle Zieht ein Stück Ewigkeit ins Hier und Jetzt
Die Zelle ist eine Wirklichkeit, die jedem Geschehen einen Sinn erschliesst
Die Zelle ist eine sprudelnde Quelle der Kreativität
Die Zelle ist heilsames Schweigen
Hedi lebt eine Woche als Eremitin in der Wiboradazelle
April 2022
Die Zelle ist ein guter Ort
Wenn du an der Stufe vor der Türe die Schuhe abschlägst, vom Schnee und den Tannennadeln befreist,
wenn du hineingehst und die Türe hinter dir zumachst, sagt die Zelle zu dir:
Zieh deine Schuhe aus da wo du stehst ist heiliger Boden
Du ziehst deine Schuhe aus gehst hinein und
bist in deinem Ureigensten.
Du schaust du spürst du bist gegenwärtig
du bist da DU BIST DA in deinem neuen Leben.
Jeder Atemzug, jeder Blick, jedes Empfinden sagt dir:
GOTT IST DA und du sagst: ICH BIN AUCH DA.
WIB ORA DA ist dein Programm
Du bist angekommen. Was für ein Glück! «Mein ganzes Glück bist du allein!» ( Flitterwoche mit Gott )
Es beginnt
Alles was ich tue, ist leben mit Gott, vor Gott, in ihm.
Ob ich auspacke – mich einrichte – jedes Ding an seinen Platz lege –
alles ist gut, alles ist wunderbar.
Ob es 6 Grad hat ist nicht von Belang.
Du bist jetzt in der Zelle und tust eins nach dem anderen.
Die Zelle ist sehr funktional, sooo gut, sagst du immer wieder beim Einräumen.
Du findest dich schnell zurecht.
Alles was ich ausgepackt habe, freut mich, es fehlt mir nichts – wirklich nichts!
Die Schaffelle kommen von alleine und die Bettflasche auch und erst
10 am 2. Tag 14. Grad und Mitte Woche 20 Grad und warme Füsse!
Immer wieder bin ich einfach da
einfach glücklich so lebendig in der Ruhe.
DIE STILLEN ZEITEN – ich meditiere 2x pro Tag eine gute Stunde.
Ich bin nicht so geübt. Aber jetzt übe ich.
Ich find meine Haltung auf dem Stuhl , Halte ein kleines Ritual
Kerze – Kreuzzeichen – Atmen
Ich bleibe beim Gebet von Bruder Klaus und beim Rad .
Die Zelle ist wunderbar.
Wiborada wirkt Gott ist da
ich bin auch da.
In der kalten Nacht, am Anfang, war ich in Gedanken in einem Bunker
in der Ukraine – in einem Flüchtlingslager
Die Decken waren dünn, Kinder weinten
Die Bomben liessen die Zelle zittern. Dann wieder unheimliche Stille.
Ich überlegte, was ich noch teilen könnte, wie in diesen Umständen Leben geht … wie Liebe sein ?
Ich glaubte, dass Gott da hineingeht! In das ganze Chaos.
ich wollte es mit aller Kraft glauben
Hinabgestiegen zur Hölle – Was tut er in der Unterwelt ( fragt Hans Urs v. Balthasar in seinem Credo)
ER BRINGT LIEBE HIN. Er geht überallhin, bringt überall Liebe hin!
Wissen wir das? Glauben wir das?
Das gilt es zu glauben! Ich glaube!
Am Morgen bin ich nicht müde nicht gerädert
wundre mich nur, dass ich überlebt habe.
Ich frage Jesus: Was kochen wir heute? Was machen wir jetzt?
Oder ich schlage ihm etwas vor,
was immer wir tun, eins fliesst aus dem andern heraus – alles auf IHN
zu – in die Ewigkeit hinein.
Einigen Menschen habe ich bewusst mitgeteilt, dass ich diese Woche in der Zelle bin.
Sie sind stellvertretend für viele da.
Ich fühle mich nie allein!
Ich fühle mich «für» für andere da
ganz bewusst im Gebet vor Gott Die Verbindung ist greifbar.
Einmal träumte ich so schön von meinem Mann
Verstorbene sind sowieso so gegenwärtig in der Zelle,
meist schauen sie nur kurz herein.
Ich bin nämlich mit der Gegenwart beschäftigt – sie übrigens auch,
sie wollen mich nicht stören,
lassen mich bei dem was ich gerade lebe
ob ich Gemüse rüste, einen Apfel schneide oder die Zelle
wische oder ausruhe alles ist gut, alles ist gleich
alles darf sein.In der Zelle lebst du das eigentliche Leben,
wach froh verbunden
Ich kehre immer wieder zu meinen Wurzeln zurück,
zu meinem tiefsten Wunsch, vor Gott da zu sein –
IHM alles zu überlassen
und für uns alle das zu erbitten, was Er jedem von uns geben will
seit Ewigkeit aus reiner Liebe.
Wenn wir wüssten! Wenn wir wüssten wie gut Gott ist!
Die Zelle ist ein Lernort für das eigentliche Leben!
Für mich beginnt etwas ganz Neues!
Ich kann es noch nicht wirklich benennen, aber ich übe mich im JA und
erfahre eine totale Befreiung zu einem neuen JA.
Die Zelle ist ein heiliger Ort, ich nehme sie mit mir… ich möchte in ihr bleiben
Ich werde gewiss wieder kommen!
Ohr an Gottes Wort
22. Juni 2021
Am Samstag fing ich an, mich in den Tag zu tasten: Ohr an Gottes Wort! Und von innen spürte ich:
Rasen mähen, Zaun schneiden. Bis Mittag waren zwei grosse Arbeiten geschafft. Dann Schritt für Schritt in der Stille etwas kochen, essen, 20 Minuten Siesta, auf den Bus zur Zelle und den Vorabend-Gottesdienst.
Der Tag – wie eine fliessende Quelle an diesem heissen Sommertag.
Von der Zelle zum Dom schob plötzlich Teresa ihr Fahrrad neben mir her und teilte ihr Leben mit mir.
Das gehört alles in die Zelle! Das nehme ich mit, so froh, es mittragen zu dürfen! Ich habe nichts dabei, was ich ihr geben könnte, nicht einmal ein Stück Wiboradabrot.
Alles so wahr, was in meiner Zelle geschieht.
21. Juni 2021
Das Ticken der Uhr, dazu die Wiboradalieder, die Bilder der letzten 24 Stunden.
Alles so wahr, was in meiner Zelle geschieht.
Ich glaube ich bin drüben angekommen – immer wieder drüben angekommen in meinem Zellenleben – das Wort Gottes vollzieht sich, lebt, ist Wirklichkeit. Es stirbt in uns hinein und steht in uns auf.
Der Einzug der zweitletzten Inklusin war ein so starkes Erlebnis – eine solche Freude. Wir waren viele, auch Hildegard hatte das nicht erwartet. Besonders freuten wir uns , dass eine Religionslehrerin mit einer Gruppe von interessierten Schülern aus dem Rheintal mit uns war.
Eigentlich wollte ich seit Tagen meine zwei Frauen besuchen, die ich seit der Corona-Zeit einmal pro Woche bekoche, aber ich konnte «meine Zelle» nicht verlassen. Da war dieser dichte Anspruch Gottes, nur das zu tun, was jetzt zu tun war.
Nebenbei hörte ich sagen, es habe noch Platz in der Grabenhalle, ob noch jemand kommen wolle. Die «Mittelmeer Monologe» waren angesagt. Es war so gut, so erschütternd gut, dass ich bis zum vorletzten Bus unter den jungen Leuten von Solicamp4moria blieb. Ich hatte viele Fragen an sie, musste sie bestärken und unterstützen. Ich sah das Gute, das überall geschieht in dieser schrecklichen Flüchtlingswelt auf dieser Erde. Ich kam bestärkt nach Hause, alles war gut, was mir geschehen war.
Die letzte Zelle
14. Juni 2021
Während der Priester im Sonntagsgottesdienst für die Verstorbenen betet, dass sie Gottes Gegenwart erfahren, kommt mir ein Bild:
Der Tod ist die endgültige Zelle, die letzte Zelle, die wir beziehen, der Einzug an den Ort, wo wir bleiben.
Dem Leibe nach ist die Zelle eng (Sarg)
Wir werden in die Erde «gesät»
Wir werden umgebaut
In Erde verwandelt
Dieses Bild hatte ich schon einmal vor vielen Jahren. Damals sah ich mich unter der Erde, den Mund gefüllt mit Erde. Ich habe ein gutes Gefühl dabei, mich einfach überlassen zu dürfen – dem was geschieht.
Unser Geist-Seele-Leben aber kommt in Gottes Gegenwart. Wird geweitet. Wird Liebe. Unendlich.
Unfassbar – noch unvorstellbar! Aber so lebendig! So schön! Ein warmes Gefühl durchströmt mich.
Ich kann es nicht verstehen – vertraut fühlt sich das an – eins werden, Hl. Geist – Geheimnis des Glaubens!
Das mit Wiborada ist nie fertig
12. Juni 2021
Was tust du, wenn das mit Wiborada fertig ist, fragt mich die Seelsorgerin nach der Sitzung, denn sie hat, so vermute ich meinen Blog gelesen und mitbekommen, dass mich das umtreibt.
Ich staune. Was meint sie? Das mit Wiborada ist nie fertig. Es fängt eben erst an!
Wir sind immer noch in der Einübung – in der Vorbereitung – im Vorbereiten des Obergemachs. Was nachher kommt, müssen wir noch nicht wissen. Er wird uns sagen was zu tun ist – immer im Augenblick.
Jetzt nehme ich die Wäsche ab, denn vielleicht kommt es noch regnen und dann sehen wir weiter.
Immer im Augenblick!
Ich blinzle in die Graulandschaft
5. Juni 2021
Ich blinzle in die Graulandschaft meiner erschöpften Seele
und bete zu Wiborada um Rat
Ich weiss nicht, wo ich hin gehöre
Erledige im Zeitlupentempo zwei Hausarbeiten und lege mich wieder hin
Ich kann keinen klaren Gedanken fassen
Es geht eigentlich nur: Bei mir selbst bleiben – und Gott um Erbarmen bitten:
Zelle – das ist überall wo Gott ankommen darf –
Auch bei mir zu Hause
Aber das weisst du ja, Gott – ich sag es dir trotzdem
Vielleicht freut es dich, zu hören, dass ich auf dich warte – immer nur dich erwarte
In allem – immer – nur dich erwarte
Die Not der letzten zwei Tage auf der Waage
Nachtrag zum 28. Mai 2021
Ich stehe schon eine Zeit vor der Auslage
Und warte – bis meine kleine Verkäuferin mich sieht
Leise nenne ich ihren Namen
Doch sie scheint in einer anderen Welt zu sein
Ihre Hände arbeiten flink
Schwere Gedanken stehen auf dem blassen Gesicht
Auch sie ist eingeschlossen in eine Zelle
Nur hat sie diese nicht selber gewählt
Das Fenster zu den Kunden an ihrer Theke
Mit einem müden Lächeln bedient sie nun mich
Das Fenster zu Gott scheint dicht vergittert
Doch sage ich ihr, was ich für sie da erspähe
Ich reiche ihr ein Stück Brot von Wiborada
Sie fragt mich – wohin ich unterwegs bin
«Jetzt hole ich von dir deine Sorgen und Nöte
Und trage sie dann zur Zelle hinauf
Gib mir alles, was dich bedrückt –
Ich weiss wo ich es abgeben kann – dir zum Heil»
Wenn sonst niemand da ist und einkaufen will
Wirft sie noch die Not der letzten zwei Tage auf die Waage
Dann packt sie mir das Gewünschte ein
Und bedankt sich mit einem Seufzer, der von tief unten kommt
Ach, könnte ich ihr Schicksal doch wenden,
Ihr Kraft und Mut geben und Liebe zum Leben
Ich glaube ganz fest, dass sie für das Glück bestimmt ist
Wo steht sie auf der Liste derer, die du erhörst
Ich drücke sie heimlich weiter nach oben
Sie muss doch endlich an der Reihe sein
Ehre sei dem Vater, der sich um alle kümmert
Ehre sei dem Sohn, der all das auf sich nimmt
Ehre sei der Geistkraft, die neues Leben schafft
Die weht und stärkt und aus aller Not befreit
Ich spreche dich los, Gott!
2. Juni 2021
Meine Tage waren von der Flüchtlingsaktion in St. Gallen geprägt: «Beim Namen nennen». Ich habe mich etwas grosszügig zum Namenschreiben gemeldet. Auf schmale Streifen waren Datum, Name, die Umstände des Todes, Alter – oft zwei Zeilen mit Bleistift – zu schreiben. Das versetzte mich in eine Welt, aus der es kein Entkommen zu geben schien.
Nach dem Gottesdienst am Morgen begab ich mich in diese Unterwelt des Grauens und schrieb bis mir die Hand weh tat oder der Stein im Bauch zu gross wurde: N.N. gestrandet, ertrunken, erhängt, gekentert, untergegangen. Meist jüngere Männer, die ihrem Schicksal entkommen wollten, und oft kurz vor ihrem Ziel scheiterten.
Am Mittag eine Pause – eine Siesta und weiter mit: ertrunken, erstochen, erschossen, vom überfüllten Boot gestossen, im Fahrwerk eines Flugzeugs versteckt, erfroren, in einem versiegelten Container auf einer Fähre nach GB erstickt, (56 x das gleiche schreiben). Menschen, die um ihr Leben schwammen und kurz vor dem Ziel nicht mehr konnten, Mütter, die ihre Kleinkinder sterben sahen, weil die medizinische Hilfe nicht eintraf oder verwehrt wurde. Viele, viele, die sich das Leben nahmen, auf irgendeine Weise!
GOTT mein Gott, siehst du das?
Froh, dem Ungeheuren zu entkommen, eilte ich auf einen Bus, in die Stadt zur Zelle, zum Beten. Was soll man da beten? Vielleicht das Beste was man tun kann: im Abendgebet Dasein, singen, über Mauern springen, nicht in Abgründe, ins Leben springen, in die Hoffnung. Nach dem Abendbrot nochmal eine Stunde schreiben – in der Stille bei einer Kerze oder auch ungewohnt früh ins Bett fallen, dankbar zu den Überlebenden zu gehören, die noch ein Bett haben.
Nein, Gott, du bist nicht schuld, nicht an den überfüllten Booten, nicht an den abgewiesenen Asylanträgen, nicht an der Angst unzähliger Menschen, nicht an der Not, nicht an der Krankheit. Ich spreche dich los, Gott – du bist nicht schuld! Wenn ich nachts aufstehe, bete ich: Erbarme dich, Herr erbarme dich!
Und wenn ich keinen Schlaf finde, zähle ich die Wunder, die doch auch geschehen, auf.
Da ist das Wunder, dass ich noch durchhalte mit Schreiben.
Da ist das Wunder, dass ich plötzlich die Idee hatte für meine zwei Frauen zu kochen und als Lebensbestätigung ein Festmahl zu zaubern.
Da ist das Kind auf dem Arm der Mutter, das im Bus mich immer von Neuem anlächelt.
Da ist das Wunder, dass ich mich aus dem stürmischen Mittelmeer zur Zelle ziehen lasse, dass mich die Lieder so froh machen. Das ist doch ein Wunder! Und dass sie mir mitten in der Nacht ins Gemüt fallen und mich zu trösten vermögen!
Und dass ich immer bei dir ankomme, mit all den Gestrandeten – trotzdem bei dir ankomme. Das ist das allergrösste Wunder!
Dass du ein Auffanglager bist – das keinen abweist! Du gibst immer die Kraft, mit dir zusammen für den einen Menschen da zu sein. Im Jetzt, hier und heute!
Ich danke dir für das Wunder der Erlösung!
Heute muss ich ausruhen, nachdem ich meinen Teil geschrieben und abgegeben habe, muss ich eine Pause machen. Eine Dank-Pause!
Mut
26. Mai 2021
Sich eischliessen
In deinen Schmerz
Fühlen – was dich bedrückt
Tragen – was du nicht mehr erträgst
Mut Mut
Am verlorenen Tag
Am lauten Geschwätz nicht hängen bleiben
Alles nach innen ziehen
Verbrennen in deiner Liebe !
Ich bin zuhause
24. Mai 2021
Wie geht mein Leben jetzt?
Wo bist du Gott? Wo soll ich sein? Ich such meinen Platz.
Heisst diese Absage jetzt , dass ich den Tag in Stille in meiner Zelle verbringen soll?
Wie eingeschlossen in deine Ohnmacht – eingeschlossen in deine Sorgen?
Kann das sein? Willst du das – Gott? Kannst du so etwas wollen?
Oder muss ich meine Suppe mit anderen teilen?
Komm heilende, heilige Geistkraft, heute ist doch dein Tag!
Ich halte Ausschau nach dir.
Alles in mir schaut auf dich – und ich warte, still, geduldig:
Weiss nicht, was geschehen wird, weiss nicht, was ich tun soll.
Weisst du es Gott? Ich bin zu Hause.
Ein heiliger Moment
22. Mai 2021
Schon bricht die fünfte Woche an. Heute haben wir eine Mutter und Grossmutter in die Zelle begleitet. Das war speziell! Zwei Kirchenbänke gefüllt mit ihren Familienangehörigen. Was die Enkel wohl heute Abend miteinander besprochen haben – was gebetet – was noch still unter der Bettdecke nachgespürt?
Immer wenn ein Mensch sich in die Zelle begibt, dazu den Segen empfängt, steht die Zeit still. Ich wollte ein Foto machen mit dem Handy, aber das geht gar nicht. Das ist ein Augenblick Gottes, da kann ich nur mit ganzem Herzen dabei sein, teilhaben, ein HEILIGER MOMENT.
Ich habe die Freude auf dem Gesicht der fünften Inklusin gesehen, die Hingabe in ihrer Haltung, die Bereitschaft in grosser Einfachheit. Gott ist da! Das kann man nicht fotografieren!
Ich bin dir verbunden, ich bleibe mit dir in der Sille. Ich weiss mich gesegnet mit Gottes Gegenwart wie du. Der Heilige ist auch in meiner Zelle!
Keine Kraft mehr zu leben
22. Mai 2021
Mein Gott und mein Retter – ich schreie zu dir.
Ich rufe aus der Bedrängnis, die täglich zunimmt.
Kaum habe ich die eine Rechnung bezahlt,
kommen schon zwei andere ins Haus.
Ich schufte doch schon über meine Kräfte!
Wie soll ich das nur bewältigen?
Wofür bestraft mich das Leben – was hab ich getan,
dass mich immer neue Sorgen treffen?
Überall Leid und Krankheit – kein Geld
und keine Möglichkeit zu helfen!
Ist es nicht genug, das Mass übervoll?
Ich wollte doch gut sein und treu!
Ich wollte durchhalten – und die Probleme lösen,
doch ich kann es nicht aus eigener Kraft.
Ich wurde gedemütigt – ausgebeutet – abgewertet –
bis ich verstört nicht mehr an ein Glück für mich glauben konnte.
Du aber sagst, du habest mich für die Liebe geschaffen,
ja sogar für das Glück bei dir bestimmt!
Wenn es so ist, nimm mich doch zu dir.
Ich habe keine Kraft mehr zu leben!
Ich wollte für meine Kinder da sein,
aber auch das scheint mir nicht zu gelingen.
Ich muss sie wohl eher loslassen.
Herr, gib mir die Kraft zu tun, was recht ist in deinen Augen.
Ich rufe zu dir – ich will dir vertrauen.
Ist doch die Mitte der Nacht – der Anfang des Lichts.
Ehre sei dir, der mich retten wird !
Jetzt und immer in Ewigkeit ! Amen!
Typisch Wiborada
18. Mai 2021
WIBORADA, du öffnest mir die Augen und machst mich zur Zeugin der Liebe
Noch schnell die Monatskarte für den Bus lösen, immer in Eile. Es sieht gut aus, nur eine Person am Schalter.
Die Frau ist bereits am Einpacken, erzählt so nebenbei, dass sie im Pflegeheim ihren Mann besucht habe, er sei aber heute verwirrt gewesen, überhaupt… Der Schalterbeamte hört aufmerksam zu, und bemerkt anteilnehmend: Da haben Sie es nicht einfach.
Nach einigen Minuten bedankt sich die Kundin, wendet ihren Rollator und geht ihres Weges mit einem Lächeln im Gesicht.
Ich habe aber brav Abstand gehalten um sie nicht zu drängen, denn auf dem Weg zur Zelle bin ich immer eine Spur aufmerksamer.
Sie haben mich jetzt beeindruckt, sage ich, wie Sie dieser Frau zugehört haben, das hat ihr sichtlich gut getan!
Das ist mein Beruf, erwähnt er. Ich meine, wenn er ihn so ausführe, könne er abends sicher gut schlafen. Er lacht, bedient mich ebenso gut.
Da muss ich noch sagen: Und ich gehe jetzt zu Wiborada! Er schaut etwas verdutzt. Sie wissen nichts von dem Projekt mit der Zelle bei St. Mangen? Nie gehört – Wiborada? In Kurzform bekommt er eine Info. Das ist so spannend, dass ich fast jeden Tag hin muss! Freundlich verabschieden wir uns.
Tatsächlich dieses vielleicht kleine Erlebnis füllt meinen Abend mit Freude und Licht!
Typisch Wiborada!
Die Zelle -
ein Jakobsbrunnen
15. Mai 2021
Die Zellentüre schliesst auf nach der dritten Woche. Staunend, fast verlegen wegen den vielen, die ihn erwarten, steht er unter der Türe. Alle stehen gleich benommen da.
Schauen wahrnehmen
Wieder der Auszug um die Kirche in Stille und froher Dankbarkeit.
In der Kirche dürfen wir ausdrücken, was wir erlebt haben. Viele erzählen, wie sie diese Woche mit dem Eingeschlossenen verbunden waren, was sie neu verstanden haben, wie es ihnen tief hineinging.
Glaubenszeugnisse – Begegnungen – Möglichkeiten – Hoffnungen – Entdeckungen – alles so kostbar – lebendig – frohmachend!
Ich glaube: Die Zelle ist ein Jakobsbrunnen – Ort der Begegnung – Stunde der Wahrheit – Ort der Bekehrung und der Wandlung, dem folgen Neuaufbruch – Verkündigung – Hinausgehen mit dieser Erfahrung!?
ER hat mir alles gesagt. Mitten im Alltag kann mir das geschehen, mitten in der Stadt, wo ich jeden Tag unterwegs bin. Tragen wir unserer Sehnsucht Sorge! Es kann immer und überall geschehen, denn ER ist der Gegenwärtige!
Um das einzuüben, können wir an die Zelle gehen. Jeden Tag!
Da berühren sich Himmel und Erde
14. Mai 2021
Ich kann nicht schlafen. Dieses Lied geht mir nicht aus dem Kopf:
Da berühren sich Himmel und Erde – dass Friede werde unter uns!
In voller Lautstärke, gesungen von froher Gebetsgemeinschaft
DA das ist beim Zellenfenster
DA wo Gott mich anschaut
DA wo Leben hin und her fliesst
aus und ein
Atem Gottes
Mein Erleben
ALLES EINS
Gott ist eine Überraschung.
Ich muss noch viele Bitten aufschreiben für die Zelle.
Alle drängen sich an mein Herzensfenster.
Alle wollen auch drankommen.
Die ganze Stadt steht am Zellenfenster.
Und ich sollte doch schlafen! Sollte ich?
Jene Mutter schläft auch nicht!
Was mir gegeben ist, ist gut.
Wachen ist gut für mich und die Welt!
Amen!
Meine kleine Blume
9. Mai 2021
Ich kann nicht schlafen, meine kleine Blume. Vielleicht hat dein Vater heute Geburtstag . Du wolltest mit ihm sein an seinem 70.
Geburtstag! Da gingen die Grenzen auf und der Flug war möglich – das hat wohl deine Liebe erreicht, meine kleine Blume.
So nannte er dich, als du Kind warst – und jetzt findet er deinen Namen nicht mehr im Kopf; er kann nur noch weinen, wenn er seine kleine Blume sieht. Er hat lange auf sie gewartet, lief immer davon, sie zu suchen. Und jetzt, da sie heimkam, sitzt er friedlich da und schaut und schaut. Er weiss nicht, was morgen für ein Tag ist, was für ein furchtbarer Tag!
Du weisst, dass du abreisen musst – das Flugzeug nehmen – zurück in die Schweiz. Wie soll das nur gehen von einem Albtraum in den andern.
Du wirst wieder 5 Tage die Woche um 5 Uhr aufstehen, zur Arbeit gehen, alles aushalten: den Stress, die Rückenschmerzen, die unbezahlbaren Rechnungen, die Lohnkürzung, die Sorgen. Alles wartet wieder auf dich!
Wie sollst du das aushalten?
Wie kann ich das mit dir tragen? Nachts aufstehen beten weinen?
Vielleicht TANZEN? Ja, tanzen! Haben wir nicht einmal getanzt, gesungen? Trotz allem gesungen und jenen Tanz im Kreis getanzt, den man nach einem reichen Mahl tanzt, wenn der Bauch wohlig gefüllt ist und man nur breite, kleine Schritte machen kann zu behäbiger Musik.
Tanzen, als hätte man mehr als genug gegessen, obwohl der Bauch leer ist und knurrt. So wies uns das Tanzlehrer – Paar an, und erklärte, wir denken an jenes Land, das schon lange keine solchen Tage mehr kennt. Und wir wünschen, dass wir mit unseren Schritten die Grenze aufstossen können. Wir tanzen, damit dieser Tanz Leben und Hoffnung erhalten und wir nicht vergessen, dass der Tag kommen wird. Es wird ein Fest sein und wir werden tanzen jenen Tanz aus deinem Land und uns in Freude wiegen.
Das Herz wird dir brechen, wenn du aufwachst und weisst, dass du abreisen musst. Die Mutter wird an die Wände schlagen mit den Fäusten vor Schmerz und laut schreien und der Vater wird von allem nichts begreifen, wenn du gehen musst. Und du wirst deinen Schmerz einmauern in dein Gesicht und froh sein, dich hinter der Maske zu verstecken.
Wiborada – hast du dich einmauern lassen vor mehr als 1000 Jahren auch für meine kleine Blume?
Um dem Schmerz nicht auszuweichen?
Wie soll ich ertragen, sie gebrochen zu sehen.
Ich habe Angst, bis das alles durchgestanden ist.
Ich werde ein Stückchen Brot essen von dem Brot aus der Zelle und ich werde auch ihr ein kleines Stück davon bringen. Etwas anderes fällt mir nicht ein.
Ich bin froh, dass ich mit all dem nicht alleine bin.
Wiborada , ich danke dir.
Und jetzt lege ich mich schlafen, und lege alle in deinen Arm und danke dir!
Die Zelle ist kein "interessantes Experiment"
7. Mai 2021
Oh Gott, oh Gott, was ist da los? Ich erwache mit Schmerzen am ganzen Körper:
«Knochen-Apell» sage ich dem (jeder einzelne Knochen meldet, dass er da ist!).
Nur ein- und ausatmen. Mehr geht nicht.
Ich finde mich am Boden kauernd – im Regen frierend – betend – flehend.
Der Stein ist zurückgerollt, deckt mich zu.
Die «Getretene» von Det Blumberg ist da.
Ja, die Zelle ist mit Blut bespritzt, mit dem Blut der Märtyrerin,
das spüre ich am eigenen Leib.
Aber noch mehr spüre ich die LIEBE von Wiborada,
die Bereitschaft, Schmerzen zu tragen, Schwierigkeiten mitzutragen
die Schwierigkeiten der ganzen Stadt,
alles was zum Zellenfenster getragen wird,
im Herzen der Inklusin bewegt wird,
zu Gott hin.
Nein, die Zelle ist kein «interessantes Experiment»,
keine «verrückte Idee».
Es ist Anteilhabe am Leiden dieser Stadt und weit hinaus in die Welt.
Das erfahre auch ich und es bleibt mir,
das JA zu sagen zu jedem Anliegen, stellvertretend, unterstützend.
Gestern haben wir begonnen, einige Fürbitten, die die Inklusin erhalten hat, in das Abendgebet hineinzunehmen!
Meine waren auch dabei!
Jesus in unserer Mitte wird sich also der Sache annehmen.
Nur Mut!
Weiter.
Die Liebe bleibt!
Gott erkennen und suchen
6. Mai 2021
Wie freute ich mich, als ich erkannte,
dass deine Stimme, Herr, mich ruft.
Allzeit ruft deine Stimme, verlangt deine Liebe nach mir.
Wie froh war mein Herz, als es wusste: Ich will in die Zelle gehen.
In der Zelle will ich dich suchen, mein Gott –
Und mich finden lassen von dir.
Staunen kam auf beim Gedanken,
dass so ein Versuch etwas bringt,
doch der Jubel von Wiborada – er liess mich nicht mehr los.
Wie kann so ein Leben Glück sein? Allein in der Zelle mit dir?
Wir suchen die Liebe bei Menschen.
Wollen leben und fröhlich sein!
Wir träumen die Träume aus Sehnsucht
und erwachen enttäuscht und allein.
Auch dein Freund sucht bei dir nur Liebe,
doch weiss er nicht, was das ist!
Er ist nicht wirklich am Leben, wenn er nicht weiss um Gott.
Ach, Herr, lass dich doch erkennen, lass dich erkennen von uns!
Hättest du jemals nach mir gefragt, spricht Gott,
schon längst wär ich bei dir zu Haus.
Wie kannst du sagen, du suchst mich,
wenn du keinen Raum für mich hast?
Ach, Herr, schenk mir die Gnade, dich zu suchen,
im Alleinsein in der Zelle mit dir!
Ich will lernen, dich zu preisen für immer,
will dir singen Tag für Tag.
Ein Dankeslied will ich anstimmen,
weil du mich mit Einsicht beschenkst!
Ehre sei Gott, der mir Vater und Mutter ist.
Ehre dem Sohn und der Geistkraft in Ewigkeit!
Glück über Gottes Gegenwart
5. Mai 2021
Herr, wie gut ist es, dich zu preisen,
mein Herz jubelt voll Freude dir zu.
Denn du schaust allezeit voll Liebe auf mich,
ich weiss mich in deiner Nähe geborgen.
Dass du mich erwählt hast – ich kann es nicht fassen.
Dich zu erkennen, macht mich froh.
In der Tiefe meines Herzens – wirken deine Taten.
Friede und Heil kommen allein von dir.
Ich kenne auch Menschen, die das nie erfahren,
die nicht einmal nach dir suchen und fragen.
Ihr Leben ist oft ohne Licht und Freude.
Wahres Glück scheinen sie nicht wirklich zu kennen.
Sie suchen Vergnügen – erfüllen sich Wünsche,
doch Erfüllung finden sie nicht im Besitz.
Wahre Liebe haben sie noch nie erfahren,
ja, sie kennen ihre Allernächsten nicht!
Ich bitte Dich heute für diese Stadt,
schenk den Menschen darin Begegnung mit dir!
Schon dein Blick auf die Suchenden könnte das ändern.
Ich glaube – und weiss – du vergisst sie nicht.
Leg in ihre Herzen die tiefe Sehnsucht,
dass sie ausschauen – endlich nach dir!
Wie gut ist es, Herr, darüber zu sinnen,
dass du so Verlangen hast nach mir.
Zeige mir Herr, was ich tun kann,
Dir Wege zu bahnen zu den Menschen der Stadt.
Mach laut meinen Jubel, dass ich sie erreiche.
Lass mich überall künden von dir, mein Gott.
Neue Lieder möchte ich dichten und singen,
vor Freude laut klatschen – tanzen und springen!
Stimmt alle mit mir in den Jubel ein,
zur Freude willst du uns heute befreien!
Ehre sei Gott, der mir Vater und Mutter ist.
Ehre dem Sohn und der Geistkraft in Ewigkeit!
Berührt
3. Mai 2021
Ich habe die Gedanken der ersten Inklusin gelesen
Ich bin tief berührt
In der Stille
bei der brennenden Osterkerze
nach dem Brotsegen
lese ich zum Frühstück
diese Berührungsgedanken
Ich werde noch stiller
Tränen steigen mir auf
Ich erkenne, auch ich bin eingeladen
meine Auferstehungsgeschichte zu leben
Heute für meine «Getretene», die noch kein Zeichen von Auferstehung zeigt
Ich bin eingeladen, trotz allem, was ihr noch immer geschieht, an ihrer Stelle zu singen! Alleluja – Jesus lebt – jetzt schon – hier und heute – ja, ich glaube!
Gott selbst erwartet dich
1. Mai 2021
Da standest du – zweite Inklusin – bereit, in die Zelle zu gehen. Du gibst dich da hinein – mit deinem ganzen Sein, den Segen empfangend und ich weiss, es ist Gott selbst, der dich in der Zelle erwartet.
Ein heiliger Moment.
Ich bin dir nahe, jetzt da es Nacht geworden ist und bete, dass Jesus dich zudeckt, wie eine Mutter ihr Kind.
Und ich weiss dich geborgen in IHM und mich und die ganze Welt auch, DANKE !
Wiborada wirkt
1. Mai 2021
Wiborada wirkt weiter, jeden Tag, so auch heute.
Auf dem Markt locken viele feine Sachen, aber ich brauche eigentlich fast nichts. Ganz bewusst habe ich nur drei Sachen in meiner Stofftasche. Nichts Überflüssiges, nichts zum Naschen und bin glücklich über diesen Sieg.
Im Bus schaue ich auf den Bildschirm – siehe auch hier Wiborada gegenwärtig , ich freue mich. Zwischen Fussballern und Eishockeyspielern. So gut, da passt sie hin. Am Ball bleiben und das Ziel nie aus den Augen verlieren! Das passt zu Wiborada!
Da plötzlich ein Plumps. Einem Chinesen ist der Papiersack geplatzt vor der Türe, die sich schon öffnet: Alkoholflaschen, Ketchup, Knoblauch und einiges mehr rollt gegen die Türe. Er gibt einen verzweifelten Laut von sich. Da, nehmen Sie meine Tasche! rufe ich. Und werfe ihm meinen selbst bedruckten Brotsack zu. Das Wiboradabrot kann ich so tragen und der Fenchel hat i nder Handtasche Platz. So leicht kann ich mich trennen von meinem Sack, an dem eine liebe Erinnerung hängt?!
Als ich bei der nächsten Station aussteige , wartet der Bus einen Moment länger. So scheint mir, die Chauffeurin lächelt mir zu und ich ihr, weil sie doch so lange warten musste bis der alles zusammengelesen hatte.
Aus lauter so glücklichen Momenten ist eigentlich unser Leben zusammengesetzt, wenn wir achtsam sind.
Unzählig sind die Grosstaten Gottes!
Bei der Zelle in St. Mangen, gehen einem die Augen auf, damit wir sie sehen!
Immer dieses Glücksgefühl
1. Mai 2021
Schon zu Hause beim Abschliessen der Haustüre, erfasst mich die freudige Erwartung, das Bewusstsein, Zeuge eines grossen Geschehens zu sein. Es geht zur Zelle, wo heute die erste Inklusin heraustreten wird.
Immer dieses Glücksgefühl. Unfassbar!
Bei St. Mangen zieht es mich in die Tiefe, in eine heilige Stille, obwohl schon mehrere Leute dastehen – freudig wartend.
Ich komme schon wie nach Hause, war ich doch fast jeden Tag da.
Ein Kind darf um 10 Uhr die Türe aufschliessen. Berührend! Hildegard tritt heraus. Aller Augen warten auf dich!
Andächtig schreiten wir in die Kirche, aussen herum.
Dort singen wir das Wiboradalied. Nach einem kurzen Gebet erzählen wir einander, was wir erlebt haben in dieser Woche.
Wunderbar wie Wiborada wirkt. Und heute an ihrem Todestag, danken wir Gott dafür!
Anschliessend erzählt auch Hildegard ein paar Kostbarkeiten, was sie diese Woche erlebt hat mit dem Evangelium: Dass Gott Salz ist – das aber uns braucht, um als Würze überhaupt in der Welt wirken zu können und dass das Wort «Wer im kleinen treu ist», sie erkennen liess, dass sie eine bestimmte Sache in Ordnung bringen muss.
Es ist offensichtlich: Gott hat an ihr gearbeitet- das erfüllt uns mit Freude!
Wir schliessen mit einem Gebet.
Tränen?
30. April 2021
Ob du schon weinen konntest, Inklusin auf Zeit?
Ob du schon Tränen hattest? Ich wünsche sie dir.
Vielleicht ist eine Woche zu kurz!
Ich wünsche dir einen tiefen Tag, ganz zu Füssen des Kyrios.
Es soll dir warm sein ums Herz.
Innig nahe bei IHM.
Tränen sind eine seltene Gabe, am Jakobsbrunnen waren sie auch nicht.
Nur neues Leben und Jubel Auferstehung im Voraus.
Gott braucht unsre Tränen nicht! ER braucht unser Lebenszeugnis!
Wiborada - nie gehört!
24. April 2021
Während die erste Inklusin eingezog, war ich still beten. In Gedanken ziehe ich mit nach St.Mangen hinauf.
Nach dem Vorabendgottesdienst am 24. April, zog ich feierlich nach St. Mangen, vorbei an fröhlichen Menschen, die auf Plätzen und am Strassenrand an Tischen sassen und sich bedienen liessen, als wäre ein Stadtfest im Gange. Eine Frau schloss sich mir an, fragte wo ich wohne und wohin ich ginge. ich sagte ihr, ich sei unterwegs nach St. Mangen zu Wiborada! Ob sie nicht wisse, was dort heut los war. Und ich erzählte ihr von den Dingen, die sich dort zugetragen hätten.
Weil ich selber nicht dabei sein konnte, wolle ich jetzt um die Zelle gehen und ein Nachtgebet sprechen, sicher sei noch etwas von dem heilsamen Geschehen dort gegenwärtig! Sie wollte aber dann doch nicht mitkommen, obwohl sie zu Hause ein Mann erwarte, mit dem sie gar nicht mehr zusammen sein möge, sie habe sich das Leben schon verpfuscht und sei eigentlich nur müde. Wie heisst du denn, fragte ich sie, dann kann ich nächste Woche eine Fürbitte abgeben. Ich glaube, die werden alle erhört – irgendwie! Und wie heissen Sie, fragte sie mich. Ich musste einen Moment schmunzeln – gerne hätte ich Wiborada gesagt, aber dann sagte ich doch meinen Namen. Wie meine Mutter! rief sie erfreut und dankte mir, dass ich ihr zugehört hatte, das habe ihr so gut getan. Wir winkten uns noch kurz zu. Da hatte ich ja schon etwas mitzubringen für Wiborada!
Als ich in die ansteigende Gasse bog, strahlte der Turm der Mangen-Kirche in der Abendsonne so still und schön, deutlich wies er nach oben ans Licht. All die Menschen in den Strassen, die in der Stadt feiern, dass sie nicht mehr eingeschlossen sein müssen, wollte ich der Eingeschlossenen vor die Zelle legen. Heilige Stille, Abendruhe, keine Menschenseele, mir war so froh zumute.
Wie schön haben sie alles gemacht, sagte ich vor mich hin, am Türeingang ein Kästchen mit einer Klappe wie ein Dach, darin die Programmbüchlein, so schön sorgfältig mit Liebe gemacht Plakate, der Stationenweg. Da steht ein Desinfektions-Spender, dessen Mittel nach Fenchel riecht! Nein, ich konnte es nicht fassen, alles so mit Liebe ausgedacht. Ich freute mich einfach wie ein Kind! Und an der Seite ein grosses Plakat: Wiborada und ein Bischof drauf, lebensgross, laden ein, ein Foto zu machen, indem man ihnen ein Gesicht gibt! Diese Idee!! Ich möchte der Kirche gerne mein Gesicht geben! Aber dieses Foto kann man nicht allein machen. Ein Selfi geht nicht. Ich muss dahinter stehen.
Am Fenchelbeet und den frisch bepflanzten Blumenbeeten vorbei zog es mich zur Zelle. Ich stand davor in der Abendstille. Es brannte das Licht! Oh! Ein heiliger Moment, 24. April 2021 Abend 7 Uhr. Die Glocken läuteten. Ich darf das erleben. Jedes Detail prägte ich mir ein. Mit laut klopfendem Herzen ging ich vor der Zelle hin und her. Heute hat es begonnen, das Projekt Wiborada2021.
Ich habe das alles gesehen, mein Zeugnis ist wahr, wahr im biblischen Sinn – wirklich. Wahrheit wirkt, was sie sagt, wirkt immerfort ab heute hier und jetzt. Gott ist da, als der ICH BIN DA. Das ist eine so grosse Freude, schwer allein zu ertragen.
Da kommen sie schon. Ein Paar. Ich gehe auf sie zu: Wisst ihr was hier geschieht? Es ist ein historischer Moment – und ich darf den erleben! Gut, dass ihr kommt, denn ich bin so glücklich, und das muss ich einfach mit jemandem teilen. Die junge Frau staunt, dass da Fenchel gepflanzt wurde, das scheint ihr lauschiges Plätzchen zu sein, denn der war vorher nicht da. Und seht euch das an: Dieser Spray lässt die Hände nach Fenchel riechen, sie probieren es aus und staunen. Ich bin ganz froh, dass ich ihnen Wiborada mit allen Sinnen nahebringen kann, und: Ah, könnten Sie ein Foto von mir machen? Natürlich sagt der Pircing-Bestückte freundlich zu der leicht Übergeschnappten (das bin ich). Wir gehen auf die Seite, wo das Tuch gespannt ist. Er nimmt mein Handy und knipst. Ich hab gleich 3mal abgedrückt, sagt er. Danke, Danke! Ich möchte kreischen vor Freude, aber das erlaubt der heilige Ort nicht. Hier ist irgendwo das Grab der Stadtheiligen Wiborada. Das müssen Sie wissen. Nie gehört sagt er und ich wohne da drunten ganz in der Nähe. Aber Wiborada – nie gehört. Macht nichts, sage ich, ihn entschuldigend, aber es lohnt sich, ihre Nachbarin kennen zu lernen.
Ein Loch in den Himmel gebohrt
23. April 2021
Wiborada, mit deinem Glauben – mit deiner glühenden Liebe hast du ein Loch in den Himmel gebohrt –
Hier in St. Gallen – von einem Punkt aus – Tag für Tag –
Harte Arbeit – Glühende Liebe – Dein Leben lang
Entbehrung – Kälte – Abhängigkeit – von Menschen,
um deine Abhängigkeit von Gott zu leben
Du hast Gott gelobt – ihm Lieder gesungen –
Was konnte Gott tun! Was konnte ER tun an dieser Stadt – an den Menschen, weil Du Wiborada IHM eine Stimme gabst!
Wir bohren Löcher in die Erde – tief – heizen damit unsere Häuser und es funktioniert – sagt mein Nachbar.
Wem verschaffe ich Zugang zu dieser Stadt?
Von meiner Zelle aus hier und heute?
Mein Leben als Zelle
22. April 2021
Ich entdecke mein Leben als Zelle – GOTT in dem ich stehe, ist meine Zelle.
Von IHM möchte ich neugestaltet werden.
LIEBE werden.
Alles aus Liebe tun, für andere Liebe sein.
In der Zelle
20. April 2021
Ich war in der Zelle – in St Mangen
Drinnen: so – schön!
Es roch nach frischem Tannengetäfer
Alle Sinne wurden hell wach
Es riecht nach Gottes Gegenwart
Ganz neu – Es riecht nach JETZT MIT GOTT
Alles hat mir gefallen
Aber besonders – die Höhe über dem Bett
Da können die Gebete aufsteigen
Direkt zu GOTT und die Gnaden in unsere Träume fallen
Ganz leise im Schlaf
Sozusagen im Grab
17. April 2021
WIBORADA – was bedeutet das – sich einschliessen zu lassen in eine Zelle? Ja EINMAUERN !!!
Nur mit GOTT allein – wie geht das?
Sozusagen im Grab mit Dir – draussen der Stein schwer zu
Ungeheuer ist das. Von allen Seiten betrachtet – unfassbar.
Hineingenommen in den dreifaltigen Gott , in eine Beziehung, in ein Wirken Gottes, in ein Sein Gottes
Hineingenommen in ein Gespräch?
Erspüre das – glaube das – erlerne das ganz klein ganz still !
Du wirst eingeschlossen – gehörst dazu – ganz dazu. (Geschlossene Gesellschaft)
Innenansichten Gottes entdecken.
Schauen lernen oder einfach: Nichts da? Auch möglich (nur fühlbar möglich)
In Wahrheit unmöglich! Nichts gibt es nicht!
Wo Gott ist, ist ALLES !
Ein neues Leben
25. März 2021
Ich gehe achtsam und still in den Tag – dankbar für diesen Weg mit der Gruppe der Inklusinnen und Inklusen und Wiborada. Bin fast jede Stunde aufgestanden, so bewusst, dass etwas Neues , Grosses , Inniges mit Gott Verbundenes – mit mir beginnt! Ein neues Leben!Kirche St.Mangen
19. März 2021
Bin gestern um 17 h 45 bei der St Mangenkirche gewesen. Habe das Fenster gesehen innen und aussen.
Mein Gott, diese Kirche müsste dringend innen gemalt werden. An Auferstehung denkt man da drin nicht. Den Spruch von Vadian neben dem Wiborada-Fenster wollte ich fotografieren mit dem Handy …Blass und seelenlos wirkte das. Das machte mich sehr nachdenklich. Die Bibel gehört eher in ein Museum… die regt nicht zum Leben an… Das Wiborada – Projekt wird da hoffentlich etwas ändern.
Da müsste ein warmes Licht hin. Wirkt alles so tot! Wir werden da Leben hinbringen und unsre ref. Geschwister unterstützen, dass dieser Ort geheilt…und erweckt wird! Wie froh war ich um meine lebendigen himmlischen Weibsbilder (damit meint Hedi die Ausstellung in der Kathedrale).
Wir hatten Himmlischen Gesang in der Abendmesse.. das hat mich sooo getröstet… und mir bewusst gemacht wie gut mir Heilige tun. Sie führen mich zu Jesus… soo heilsam!